Wer sich über den Naturpark Cabo de Gata informiert, wird als erstes über die vielen natürlichen und teils verlassenen Strände lesen und den Tipp bekommen, sich die Wanderschuhe anzuziehen oder den Neoprenanzug, um die faszinierende Landschaft zwischen Almeria und Cartagena genauer unter die Lupe zu nehmen.
Auch ich hatte mich genau darauf vorbereitet. Die Outdoorsachen steckten im Koffer und der Termin für meinen ersten Tauchgang seit 2014 war ausgemacht. Doch letztendlich sagte ich die Unterwasserexkursion ab, ließ die Wanderschuhe im Rucksack und erkundete stattdessen in Sportschuhen die kleinen, weißen Dörfer am Cabo de Gata. Sie sind erstaunlich vielfältig, auch im Hochsommer kaum überlaufen und jedes einzelne hat seinen ganz besonderen Charme.
Das ist meine persönliche Liste der schönsten Dörfer am Cabo de Gata:
Die schönsten Dörfer am Cabo de Gata

San José: Das Herz des Naturparks
San José ist für die Region Cabo de Gata sowas wie Benidorm für die Costa Blanca. Allerdings gibt es hier weder Hochhäuser, noch Partytouristen oder betrunkene Briten. Der kleine Fischerort liegt unweit der beliebten Strände Playa de los Genoveses und Playa de Mónsul, in dem die meiste Zeit des Jahres knapp 1000 Menschen leben. Nur im Sommer steigt die Einwohnerzahl in dem sich dann an die blassgelben Hügel schmiegende Dorf auf 20.000 Menschen an.
San José ist der beliebteste Urlaubs-Dörfer am Cabo de Gata. Hier geht es ein bisschen lebendiger zu als in den anderen Dörfern der Region. Man findet kleine Geschäfte, typische Restaurants und einen Strand mitten im Ort mit sämtlichen Annehmlichkeiten wie Liegestühlen, Sonnenschirmen und Bar. Zwischen den weißen Häusern, die alle gebannt auf die türkisfarbene Bucht von San José zu blicken scheinen, führt eine schmale Asphaltstraße in Richtung der schönsten Strände Spaniens. Der Playa de los Genoveses ist einen guten Kilometer lang mit feinem, hellen Sand und seichtem Wasser, in dem man sich im Sommer über Stunden von den sanften Wellen hin und her wiegen lassen kann. Der Playa de Mónsul, nur ein paar Kilometer entfernt, ist genau wie der Playa de los Genoveses mit dem eignen Auto, aber auch mit einem öffentlichen Bus erreichbar und gilt als der schönste Strand in der ganzen Region. Seine hohe Sanddüne ist einzigartig und der dunkelgraue Sand, auf dem schon Sean Connory ein Flugzeug zum Absturz brachte, ist legendär.

Rodalquilar: Goldene Geschichte und entspannte Atmosphäre
Rodalquilar ist mit seinen weißen, einstöckigen Häusern, die von hohen Kakteen statt Palmen gesäumt werden und den erstaunlich vielen Restaurants und Cafés mit Sonnenterrassen der ideale Ort für eine Instagram-Story. Allein der kleine Supermarkt, in dem es keine Produkte unter 3 € gibt, man aber trotzdem nicht mit leeren Händen auf die Straße tritt, weil alles so ansprechend drapiert ist, hat eine Ästhetik, die zumindest in einem Instagram-Karrusell festgehalten werden sollte.
Rodalquilar ist eines der idyllischsten Dörfer am Cabo de Gata. Allerdings war das noch nicht immer so. Während sich heute in dem knapp 200 Einwohner großen Ort eine Mischung aus ruhesuchenden Touristen, Hipstern und alteingesessenen Familien tummelt, sah man in Rodalquilar ab dem Ende des 19. Jahrhunderts fast ausschließlich staubige Männer mit Spitzhacke und Kopflampe. Denn zwischen 1880 und 1966 steckte das Dorf zwischen den Orten Las Negras und La Isleta in einem Goldrausch. Mehrere Tonnen Gold wurden in dieser Zeit aus dem am Cabo de Gata allein in Rodalquilar existierenden goldhaltigen Quartz extrahiert. Heute kann die Grube La Niña noch als Ruine besichtigt werden, in der, bevor das Gold entdeckt wurde, auch Blei, Silbererze, Granit und Kaolin für Keramik abgebaut wurde. Sie diente außerdem als Kulisse für mehrere Western wie „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug“.
Seit der Schließung der Mine ist es ruhiger geworden in Rodalquilar. Das Leben der Menschen dort ist zurückgelehnt, ganz ohne Eile. Man lebt vom Tourismus, bekocht die Gäste und wechselt ihre Handtücher in den vielen kleinen Häusern untergebrachten Appartements. Manchmal nimmt man auch gern ein Bad am nahegelegenen Strand El Playazo, der nicht nur wegen seines Blicks auf eine der alten Festungen aus der Zeit der Mauren, etwas ganz besonderes ist.

Agua Amarga: ein einstiger Piratenplatz in griechischen Farben
Es wussten die Fischer, aber auch die berberischen Piraten – Agua Amarga war lange Zeit der perfekte Ankerplatz für die arabischen Nazaríes an einer sonst zu steinigen Küste. Ein Ort in dem das Leben, aber auch die Meuterei florierte. Heute hat das östlich vom Cabo de Gata gelegene Dorf nur noch wenig mit den einstigen rauen Zeiten zutun. Die weiß getünchten Häuser mit ihren türkisfarbenen Fensterrahmen und Türen zusammen mit den violett-leuchtenden Blumen fühlen sich an wie ein nie endender Sommer, in dem sich die Zeit dehnt wie eine Hängematte, ohne jemals zu überspannen. Die bunten Fischerboote hüpfen auf den kleinen Wellen am Strand von Agua Amarga und in den achtsam geführten Restaurants bekommt man frische Gerichte unter freiem Himmel. Die Höhlen der alten Piraten kann man in der Umgebung des Ortes noch immer ausmachen und im Südwesten liegen die einsamen Buchten Cala del Plomo und Cala de Enmedio, die mit ihren weißen, bis ins Wasser reichenden Felsen und dem hellen, fast durchsichtigen Wasser zu den schönsten Stränden am Cabo de Gata zählen.

Las Negras - Hippie-Flair zwischen weiß getünchten Häusern
Nicht weit von Las Negras, in einem kleinen Ort names San Pedro lebte eine kleine Gruppe Fischer mit ihren Familien, die alle auf dem gleichen Boot arbeiteten. Bei einer ihrer Ausfahrten gerieten sie in einen Sturm und kamen nicht zurück. Um nicht zu verhungern, entschieden sich die Witwen mit ihren Kindern San Pedro zu verlassen und sich in der Landwirtschaft zu üben. So entstand Las Negras – das erzählt zumindest die Legende. Aus 10 kleinen Häusern sind mittlerweile genügend geworden, um hier die heutigen 350 Einwohner unterzubringen. Viele von ihnen sind Deutsche, die auf der Suche nach Ruhe, Abgeschiedenheit und warmen Temperaturen hier ihr Traumplätzchen fanden. Der Ort atmet einen alternativen Lebensstil, ein bisschen Aussteiger, aber auch harte Arbeit. In den Hügeln um die weißen Häuschen werden Obst- und Gemüse angebaut – eine Seltenheit an dem sonst kargen Cabo de Gata – und in der Bucht von Las Negras liegen kleine hölzerne Fischerboote, die noch immer im Morgengrauen ihre Besitzer über die Wellen aufs Meer hinaus tragen. Auf der Terrasse mit Meerblick des Restaurants El Manteca und den Stühlen des La Chumbera Honest Food findet man das Lebensgefühl, was Las Negras so besonders macht.

Níjar: der auf jeden Fall schönste Ort am Cabo de Gata
Am Rand vom Naturpark Cabo de Gata und angrenzend an das Naturschutzgebiet Sierra de Alhamilla liegt Níjar, der laut des Vereins „Los pueblos más bonitos de España“ zu den schönsten Dörfern Spaniens gehört und nach Meinung vom Traveler es schafft, uns die Schönheit der simplen Dinge schätzen zu lernen. Und irgendwie stimmt das auch. Níjar besitzt keinen dieser Traumstrände vom Cabo de Gata wie die vielen kleinen Dörfer direkt an der Küste, man findet keine Hipster-Restaurants und auch sonst wurde in diesem Ort nichts dafür getan, um die Touristen vom Strand hierher zu locken. Nach Níjar kommt man vom Cabo de Gata aus nur, wenn man durch die Plastikgewächshäuser fährt, die am Rande des Naturparks die graue Erde und die zarten Pflänzchen unter sich einhüllen.
Doch in den kleinen Straßen von Níjar, mit den bunten Tontöpfen, die im Ort selbst hergestellt werden und den zweistöckigen Häusern, die mit ihren leuchtenden Farben und französischen Balkonen ein wenig an Kuba erinnern, zieht einen das ruhige, kaum touristische Leben in den Bann. Die Geschichte ist eindeutig maurisch, wie überall in dieser Region und sie schützen eine Tradition aus dieser Zeit, die sich so fast kaum noch irgendwo in Andalusien finden lässt. In kleinen Handwerksbetrieben mit angeschlossenem Laden werden noch jarapas hergestellt, bunte Stoffe, ehemals aus alten Lappen, die zu Teppichen, Decken und Gardinen verarbeitet werden. Überall in Níjar kann man sie mit Produkten der anderen typischen Handwerkskunst des Ortes wie Tassen oder Blumentöpfen kaufen.
Auf dem Hauptplatz sitzen die älteren Bewohner des Ortes und dösen im Schatten der zahlreichen Bäume. Eine Frau spricht mich an und erzählt mir von der Entwicklung Níjars, wie sie versuchen, die Besitzer einiger verlassener Häuser ausfindig zu machen, um sie bei der Restauration ihrer Anwesen zu unterstützen. Die Stadt soll noch ansehnlicher werden, noch bunter. Hoffentlich verliert sie dabei ihre Gelassenheit nicht.